Wer Depressionen hat, unter Ängsten oder traumatischen Erfahrungen leidet, der kennt das besonders gut: das Grübeln. Es ist der leider untaugliche Versuch, Leiden zu lindern. Es gedanklich zu bewältigen. Zu verstehen. Vergeblich im Übrigen, wie jeder, der darunter leidet, nur allzu gut weiß. Aber auch Menschen, die nicht an psychischen Krankheiten leiden, kennen es. Vielleicht von sich, vielleicht kennt man jemanden, der es hat. In einer Krise, einer schwierigen Situation. Und Grübeln ist quälend. Es ist anstrengend. Es erschöpft. Und es zieht unglaublich viel Energie. Darüber hinaus kommt es gerne auch nachts, wenn eigentlich schlafen angesagt ist - ausgerechnet, wenn wir uns erholen wollen, da kommen wir ins Grübeln.
Und das hält uns wach. Die Gedanken kreisen – und zwar nicht um das Schöne, das Gelungene, die Freude in unserem Leben, die es ja unbestritten auch gibt – sondern um alles, was noch ansteht, was uns belastet, was nicht gelungen ist, was uns Sorgen und Angst macht.
Manchmal kreisen wir um etwas, was ansteht – die Auseinandersetzung mit der Chefin, das schwierige Gespräch mit einem Freund oder einer Kollegin, finanzielle Probleme, die Kinder – alles, was wir unserer Meinung nach optimal lösen können müssten – aber wahrscheinlich – wenn wir dem Grübeln glauben – nicht optimal lösen werden. Wie mache ich das? Schaffe ich das überhaupt? Das klappt doch wieder nicht! Ich weiss schon, wie die anderen mich hinterher anschauen. Das wird wieder total anstrengend…..Ich bin ein loser, warum immer ich?
Und wenn dann das passiert……
Oder wir schauen zurück – auf etwas, was nicht optimal gelaufen ist…
Warum habe ich das nicht gesagt? Das wäre die richtige Antwort/Haltung gewesen… wieso geht bei mir immer alles schief? Wie so können andere das alles wuppen und ich schaffe es einfach nicht, alles auf die Reihe zu kriegen. Warum hat er eigentlich so komisch reagiert? Habe ich was falsches gesagt? Hätte ich netter sein müssen. Ich bin immer so undiplomatisch. Wieso klappt das bei mir nie?Warum bin ich einfach so ein Versager?
Das Ganze tarnt sich als Gedanken. Es tut so, als ob wir nachdenken würden. Tatsächlich drehen sich die Gedanken aber in der Regel im Kreis, wir wiederholen zum xten Mal dasselbe…. Es gibt kein wirkliches Ziel mehr, keine Lösung für das Thema, um das es geht. Wir denken nicht mehr, suchen keine Lösung, mit der wir zufrieden sein könnten, wir kreisen unendlich im Hamsterrad – kurz, wir grübeln. Und leider geht’s fast immer um die Kritik an der eigenen Person, um Unangenehmes, oft – wenn’s um Vergangenes geht – um Dinge, die wir eh nicht mehr ändern können. Und es ist eigentlich kein Kreisen, sondern eine Spirale abwärts, denn je mehr, je länger, je häufiger wir grübeln, desto schwärzer wird die Stimmung, desto weniger glauben wir an uns und daran, dass wir etwas bewirken können, das Selbstbewußtsein schwindet – und darüber hinaus werden wir immer erschöpfter, denn Grübeln zieht Energie und hindert uns daran, zur Ruhe und in die Entspannung zu kommen.. Das ist ja das Perfide – gerade dann, wenn Ruhe einkehren könnte – dann ist das Grübeln immer schon da.
Und wenn das Grübeln einmal angeworfen ist, da schnurrt der Motor – so, wie wir es gerne vom Rasentrecker oder beim Auto hätten. Es kreist und kreist – und endet erst, wenn wir völlig erschöpft dann doch noch eine Mütze Schlaf kriegen.
Was tun – wie gehen wir am besten damit um? Denn natürlich haben wir schon einiges versucht – vor allem aber haben wir dagegen gekämpft. Mit allem, was ging. Es soll endlich aufhören. Sei still da oben …. Und?
Erfolg? Meist keiner, im Gegenteil – kurz nicht aufmerksam – schon grübelt es wieder. Grübeln unterdrücken funktioniert eben leider nicht.
Was also tun? Achtung – jetzt kommt ein bisschen Input!
Denn erstmal ist es ganz gut zu wissen, wie das Gehirn funktioniert. Dazu muss man sich klarmachen, Erleben entsteht durch Aufmerksamkeitsfokussierung. Nun wir haben ganz viele Erlebnisse und Erfahrungen in unserem Leben – gute, weniger gute, schwierige, traurige und fröhliche. Und je nachdem wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken, wohin wir fokussieren, erleben wir eben die Gefühle dieser Erfahrungen.
Was passiert nun beim Grübeln? Beim Grübeln sind alle positiven Erfahrungen wie weggewischt. Es gibt nur noch das Negative. Wir nehmen alles durch die schwarze düstere Brille wahr. Fühlen uns hilflos, wertlos, ungeliebt, erfolglos, unfähig, einsam und halten uns das immer wieder mit unterschiedlichen Inhalten vor Augen. Leider gibt’s dann – wenn wir ordentlich viel und oft grübeln – auch noch das Gefühl, dass es richtig ist, sich so runterzumachen. Geschieht dir ganz recht, du Null….das könnte so ein Credo sein. Hast es auch nicht besser verdient – das ist die ganz perfide Variante des Grübelns.
Wie können wir damit denn nun besser umgehen, wenn kämpfen nichts bringt?
Ich nenne es mal die 3 B – 3 A Methode – bewährt und nachhaltig
erfolgreich
3 B – steht für: Beobachten, Beschreiben, Benennen.
3 A – steht für: Auswahl, Aufmerksamkeit, Anker
B 1: Beim ersten B, dem ersten Schritt, geht es darum zu beobachten, dass wir grübeln. Wenn ich etwas beobachten kann, bin ich mehr als das, was ich beobachte. Ich schaue mir zu, ganz neugierig, etwa wie ein Wissenschaftler, ein Therapeut und nehme wahr, was da grade passiert. Ich bin in einer Distanz – schaue von oben auf das, was sich da grade abspielt. Aha, ja, also diese Gedanken poppen grade auf, drehen sich im Kreis, da kommt schon wieder diese Schleife – „Oh Gott, das wird nie klappen, ich kann das einfach nicht “ oder, „Wieso ich mache immer alles falsch…warum nur…“ ….also:Ich sehe, analysiere und betrachte mit Abstand, was da gegrübelt wird. Ich bin kein Opfer, sondern Beobachter.
B 2: Beim zweiten B geht es ums Beschreiben. Wer grübelt denn da? Was ist das denn für ein Grübler? Ist das eher ein quengeliges immer jammerndes Kind, das da aufpoppt? Ein nörgelnder Greis? Oder so eine Art Selbstgeissler, der mir/sich immer mit der neunschwänzigen Peitsche auf den Rücken schlägt? Flattert es schwarz um mich rum wie so ein Nachtmahr, ein Alb? Oder wie der griesgrämige Hausmeister, der dauernd meckert? Oder vielleicht noch ganz anders? Einfach mal hinschauen und wahrnehmen, welche Gestalt dieses Grübeln so bei mir hat, wie verrückt auch immer.
B 3: Das 3. B steht für Benennen. Wie heißt denn nun diese Gestalt, die sich da des Nachts – manchmal auch am Tag – bei uns einnistet wie ein ungebetener Hausgast und nicht gehen will? Was für ein Name würde denn passen, um den besser in den Griff zu bekommen? Vielleicht kennt der eine oder andere das Märchen vom Rumpelstilzchen „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiss‘ …“ Wenn man Dingen einen Namen gibt, ein Label verpasst, dann kann man es viel leichter managen. Der Namen verleiht dem Namengeber Macht übers Geschehen. Namen helfen, mit Dingen umzugehen. Wenn ich sagen kann „Ach, da ist ja wieder der Horst/die Lucy/der Erwin/die Erna“ – da passiert was anderes in unserem Gehirn – und in unserem Gefühl.
Jetzt kommen wir zu Teil zwei unserer Strategie – mit dem Grübeln leben.
Und da geht’s darum, wie man das Gehirn benutzen kann. Denn – Erleben entsteht durch Aufmerksamkeitsfokussierung – s.o. Wie kann ich das einsetzen, wenn Horst/Lucy/Erwin/Erna wieder am Rödeln sind?
3 A steht für : Auswahl, Aufmerksamkeit, Anker
A 1: Das erste A steht für Auswahl. Mit Auswahl meine ich, ich wähle ganz bewusst aus meinen vielen, vielen Erfahrungen die, die gut waren, schön, wo etwas gelungen ist, Momente der Freude, des Glücks, Momente der Liebe – geben oder nehmen. Denn natürlich gibt es die im Leben, in meinem, in Ihrem – auch wenn das Horst/Lucy und Konsorten völlig abhanden gekommen zu sein scheint.
A 2: Das 2. A steht für Aufmerksamkeit.
Wenn ich die Auswahl habe und eine gute Wahl treffe, dann kann ich da hindenken, meine Aufmerksamkeit genau dahinlenken. Denn es ist schließlich mein Gehirn, ich entscheide, welchen Gedanken, Erfahrungen ich meine Aufmerksamkeit schenke. Und wenn ich bei der Wahl meiner Schuhe darauf achte, welche Farbe und Qualität die haben, wie die mir passen, wie es sich darin geht und wie die ausschauen, wieviel mehr Sinn macht es, auszuwählen, welches Erleben jetzt gut für mich wäre! Was ich jetzt brauche – Freude? Angenehme Überraschungen? Erinnerungen an wunderschöne Momente…? es kann sehr vieles sein, was uns Freude gemacht hat. Und das nehmen wir dann in den Fokus.
A 3: Beim 3. A geht es darum, einen guten Anker zu finden, der mir zur Verfügung steht. Denn ich will diesen Glücksmoment, den ich dann wähle, ja zur Verfügung haben. Und das mache ich, indem ich diesen Moment noch einmal erlebe, ankere – mit allen Qualitäten, mit allen Sinnen. Wann, wo, mit wem, wer war noch dabei, was wurde gesagt, welche Geräusche gehören dazu, welche Bilder tauchen auf, was gibt’s zu hören, zu riechen, zu schmecken … um dann sich alle Zeit der Welt zu nehmen, in diese Situation einzutauchen und sie zu erleben. Das können wir – manchmal hilft es, diese Fähigkeit zu trainieren.
Ein guter Anker dafür ist der Körper. Denn mit Sicherheit sind die guten Momente mit einem ganz anderen Körpergefühl, einer anderen Körperspannung, einem anderen Atem gekoppelt. Das kann ich abrufen und dann habe ich einen guten Anker. Ich kann aber auch ankern mit einem bestimmten Wort, einer Geste, einer Farbe, einem Gegenstand, einer Musik – auch das sind Möglichkeiten, das gute Gefühl und die gute Situation so zu verankern, dass Horst/Lucy dem gegenüber einfach verblassen und verschwinden… Ankern kennt jeder – bei Verliebten ist das dann „unser Lied“….
Manchmal ist uns das Positive abhanden gekommen über den Leistungen, die der Alltag uns abverlangt. Um alles hinzukriegen, den Beruf, die Familie, die Kollegen, die Finanzen, die Freunde, die Gesundheit und, und, und…. Aber grade wenn die Anforderungen groß sind, macht es Sinn, dieses Eintauchen in die angenehmen, schönen, besonderen, glücklichen Momente unseres Lebens. Sie nachzuerleben – wenn sich alles schwierig anfühlt. Wer das trainiert hat, der kann dann auch Horst/Lucy etc. locker kurz wahrnehmen – und dann eben woanders hingehen mit Hilfe des Ankers. Man muss es nur tun!
Und ganz zum Schluss noch: nachdenken ist was anderes als grübeln. Falls Sie heute Nacht wach lagen und Ihre nächste Präsentation strukturiert und vorbereitet haben, sich eine Strategie für die nächste anstehenden Gehaltsverhandlung mit dem Chef zurecht gelegt haben, dann haben Sie nachgedacht, das sind Gedanken, die haben ein Ziel. Die haben einen Anfang und ein Ende – vielleicht ein vorläufiges, weil noch das eine oder andere recherchiert werden muss. Ich habe das heute Nacht auch gemacht – ich habe über den Blog nachgedacht. Und jetzt ist er fertig….
Viel Spaß beim Experimentieren mit 3B-3A!
Désirée B. Bethge M.A.
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