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AutorenbildDésirée Bethge

Selbstfürsorge

Selbstfürsorge ist heute mein Thema –  oder die Frage: Wie gehen Sie eigentlich mit sich um? Und wieso ist das so wichtig?

 

Lassen Sie uns erstmal den Ist-Zustand checken: wenn Sie sich mal ehrlich überprüfen – wie freundlich sind Sie mit sich?

Wie reden Sie mit sich?  Sind Sie sich selbst gegenüber so zugewandt wie bei einem guten Freund, der netten Nachbarin,  einem sympathischen Kollegen, der Chefin oder dem Ostpförtner?

 

Oder ist es so wie bei vielen meiner Patienten, dass Sie sehr kritisch sind mit sich, dass Sie die eigenen Fehler nicht verzeihen, sich ständig unter Druck setzen, um noch mehr zu tun und noch besser zu sein – am besten natürlich  - perfekt?

Nicht nur im Job – eigentlich an allen Fronten? Und dieser Druck ist immer da, dem fühlen Sie sich immer ausgesetzt. Sie sind – im Stress. Und zwar im Dauerstress.

 

Das ist auch mit ein Grund, weshalb viele Menschen in meine Praxis kommen – sie leiden unter Stress. Sie haben Depressionen und Ängste entwickelt, stecken im Burnout. Das hat auch äußere Gründe - aber eben nicht nur. Bei den meisten spielt es eine   wichtige Rolle, wie sie mit sich in belastenden Situationen umgehen.  Die gibt es natürlich und mit denen müssen sie fertig werden. Aber zu dem äußeren Druck setzen viele sich permanent  auch noch selbst unter Druck.

 

So kommt zum externen Druck der innere Druck – und der ist häufig noch viel gnadenloser als der äußere. Sie leiden darunter und sie machen sich diesen Stress natürlich nicht mit Absicht – aber sie machen ihn sich selbst.

 

Und das ist eine gute Nachricht – denn was wir selbst mit uns machen, können wir verändern! Von außen gibt’s es Dinge, die wir nicht verändern können, aber wie wir damit umgehen – und wie wir mit uns umgehen, das können wir eben doch verändern.

 

Wenn ich meine Patientinnen frage, wie sie denn mit sich umgehen, in ihrer jeweiligen Krise, dann entsteht erstmal oft eine Pause. „Wie ich mit mir umgehe – ja also- was meinen Sie damit???  Und die Pause hängt damit zusammen, dass sie sich bisher darüber wenig bis keine Gedanken gemacht haben. Ob sie freundlich mit sich umgehen, sich Fehler verzeihen, liebevoll mit sich reden, sich trösten – das kennen die meisten gar nicht. Das ist ihnen fremd.

 

Vielmehr ist da ein innerer Richter, ein Kritiker, eine Perfektionistin jedenfalls jemand, der streng urteilt, bewertet und nichts für gut befindet – es könnte immer noch mehr, besser und überhaupt toller sein – so sieht es dieser Teil von uns.

 

Und wenn ich weiterfrage, wie es wäre, wenn sie freundlich mit sich umgehen würden, kommt erstmal: „… wie  soll das denn gehen? Das kann ich nicht, das wäre ja auch total egoistisch….das macht man doch nicht“…..

 

Diese mangelnde Selbstfürsorge hat viele negative Auswirkungen – bei Burnout, Depression und Ängsten spielt es eine wichtige Rolle, wie man mit sich umgeht.

 

Wer im Burnout ist, kann nicht verstehen   warum er/sie nicht mehr so viel leisten kann wie früher. „Da habe ich das doch auch alles hingekriegt, wieso ist das jetzt nicht so? Wie kann es sein, dass ich das alles nicht mehr schaffe? Andere schaffen das doch auch! Ich muss mich nur mehr anstrengen! Das muss doch gehen….“ Sie setzen sich unter Druck, werten sich ab und verzweifeln an ihrem Anspruch, dass es doch so wie früher sein muss. Und wenn das nicht geht, dann verurteilen sie sich – und es geht ihnen natürlich damit leider noch schlechter.

 

Viele Patientinnen mit Ängsten wissen, dass ihre Ängste keine rationale Grundlage haben, das hindert leider die Ängste nicht daran, in bestimmten Situationen oder durch bestimmte Anlässe aufzupoppen – und man kriegt sie nicht mit dem Willen alleine weg. Dazu kommt dann noch der Druck: „Früher hatte ich das doch auch nicht, da konnte ich unter Menschen gehen, einkaufen, Spaß haben, konnte Autofahren, den Flieger nehmen und eine kleine Spinne war kein Anlass für irgendwelche Gefühle – von Panik zu schweigen. Aber heute „…. das muss jetzt aber endlich weg sein“. Aber so geht’s halt nicht weg. Und auch hier ist die Beurteilung streng, von freundlicher Zuwendung keine Spur.

 

Diejenigen, die mit Depressionen oder depressiven Verstimmungen kommen, hadern mit sich, dass es ihnen so schlecht geht. Dass sie allen zur Last fallen. Dass es nie wieder besser wird, immer schon schlecht war, schlecht ist und schlecht sein wird. Die fürchten, dass nichts sie aus dem Sumpf der Gedrücktheit und Lustlosigkeit, der Traurigkeit und Motivationslosigkeit. Und viele haben schon Therapien hinter sich oder Strategien entwickelt und wenn die nicht greifen, sind sie noch verzweifelter.  Sie kämpfen immer wieder gegen die Depression an, verlieren und geraten oft in noch tiefere Verzweiflung.

 

Wenn wir dann versuchen, all diesen Themen auf den Grund zu kommen, stellen wir sehr häufig fest, dass die PatientInnen sich selbst nie die Aufmerksamkeit und Zuwendung geschenkt haben,  die sie brauchen und die  sie ganz selbstverständlich anderen geben. Sie haben sich sozusagen „vergessen“ durch die vielen Aufgaben und Rollen, die der Alltag ihnen abverlangt. Dies noch und das noch, und immer erreichbar und immer möglichst perfekt, ja nicht nachlassen – das ist für viele Menschen heutzutage selbstverständlich – und wird gar nicht hinterfragt.

 

Erst wenn irgendwann – manchmal schleichend, manchmal vom Gefühl her plötzlich – nichts mehr geht, könnten sie feststellen: da fehlt was! Beziehungsweise – da hat was gefehlt. Ja was denn?

 

Da fehlt es, sich selbst auch im Blick zu haben. Mit sich freundlich umzugehen. Zu wissen, dass die eigene Kraft endlich ist, dass nicht jede Last tragbar ist und wir nicht alles mit einem „klar, kriege ich (auch noch) hin, mach ich,“ abtun können.

 

Und auf die Fragen: „Was tun Sie denn für sich – wie erholen Sie sich, wie sorgen Sie dafür, dass Sie bekommen, was Sie brauchen?“  kommt erstmal wenig – oder: “Ja ich fahre halt in den Urlaub,  wenn ich länger fahre, dann nehme ich den Laptop mit…“

 

Leider ist es danach ganz schnell wieder genauso wie davor…. Denn es muss grundsätzlich etwas in Ihrem Leben geändert werden. Urlaub ist schön – aber das reicht nicht, wenn Sie  die restlichen 320 Tage weiter so gnadenlos mit sich umgehe.n

 

Was tun?

Stellen Sie sich zunächst mal die Frage: welche Bereiche in meinem Leben tun mir wirklich gut? Wenn ich XYZ mache/erlebe, dann geht mir das Herz auf, fühle ich mich leicht, wird der Kopf frei und der Körper beweglich, die Gedanken fließen….

 

Was also sind das für Bereiche? Erstellen Sie eine Liste der Dinge und Aktivitäten, die ihnen so richtig gut tun– und wenn es einfach dasitzen und dem Gesang der Vögel lauschen ist….spazieren…. Sport ….soziale Kontakte – und welche…..Plätzchen backen …..Kreativität ……. Musik und und und

 

Im nächsten Schritt finden Sie für sich raus , was  genau Ihnen da guttut – und wie?  Was passiert da in/mit Ihnen? Wie verwandelt sich das Leben dann, wenn Sie das erleben?

Und dann klären Sie, ob Sie einige dieser Bereiche im Moment gar nicht mehr leben, nicht leben können, so wie Sie organisiert und durchgetaktet sind, so wie Ihr Leben im Moment halt ist.

 

Das bedeutet, dass Sie Im nächsten Schritt ab wägen könnten, was geschieht, wenn Sie neue Prioritäten setzen? Was ist verhandelbar in Ihrem Leben – welche anderen Aspekte bekommen dann weniger Raum und Zeit? Was müssen Sie tatsächlich in Zukunft abschaffen,  Was soll wegfallen oder reduziert werden, um Raum und Zeit für die Aktivitäten zu haben, die für Sie gut und wichtig sind?

 

Also klären Sie, wie und wofür Sie im Moment zeitlich aufgestellt sind – und wofür Sie in Zukunft weniger – und wieviel weniger – Zeit aufwenden wollen, um sich um sich zu kümmern.

Erstellen Sie einen Plan, wie Sie die Bereiche und Aktivitäten, die Ihnen guttun, in Ihr Leben und vor allem in Ihren Alltag integrieren.

 

Mit Sicherheit bewerten Sie nicht alles gleich – für manches werden Sie häufiger für manches weniger häufig Zeit aufwenden wollen. Klären Sie, was täglich wichtig, was wöchentlich, was monatlich und was einmal im Jahr stattfinden sollte.

 

Das werde ich ab jetzt täglich machen:

1.

2.

3.

4.

 

Und dann beantworten Sie folgende Fragen:

Was brauche ich, damit mir das gelingt?

Was könnte mich wie daran hindern?

Wie werde ich mit diesen Hindernissen fertig?

Was könnte ich mir sagen, um dranzubleiben?

 

Dann gehen Sie zu den Themen, die Sie einmal in der Woche ma chen – mindestens – vllt an einem festgelegten Wochentag ……

1.

2.

3.

4.

 

Und wieder beantworten Sie die folgenden Fragen:

Was brauche ich, damit mir das gelingt?

Was könnte mich wie daran hindern?

Wie werde ich mit diesen Hindernissen fertig?

Was könnte ich mir sagen, um dranzubleiben?

 

Und dann planen Sie, was Sie sich ganz sicher einmal im Monat gönnen:

1.

2.

3.

4.

 

Und wieder mit den Fragen:

Was brauche ich, damit mir das gelingt?

Was könnte mich wie daran hindern?

Wie werde ich mit diesen Hindernissen fertig?

Was könnte ich mir sagen, um dranzubleiben?

 

Das könnte Ihr Plan sein. Jetzt geht es darum, wie Sie mit sich umgehen, wenn Sie Fehler machen. Wenn etwas nicht gelingt. Wenn etwas schiefläuft und ja, wenn Sie verantwortlich sind. Wie reden Sie dann mit sich? Was sagen Sie – und vor allem – in welchem Ton?

 

Sagen Sie: „Du dumme Nuss, Du Depp, schon wieder versagt, Du wirst das nie schaffen, das ist ja furchtbar mit Dir, Versager!“ – oder so ähnlich? Machen Sie sich so richtig in die Wurst – und wie geht’s Ihnen danach? Motiviert Sie das, es nochmal zu probieren, was da nicht geklappt hat – oder setzen Sie sich frustriert und traurig in die Ecke? Und welche Stimmlage haben Sie da? Ist es eine freundliche Stimme? Oder dieser militärisch strenge Ton?

 

Da biete ich Ihnen zweierlei an – erstmal ändern Sie zusagen den Text. Also andere Wort. Sie könnten zu sich sagen: „ja Mensch, Pech gehabt. Dumm gelaufen, da ist mir ein Fehler passiert. Das ist menschlich. Das geht vielen Menschen so. Keiner ist perfekt. Und aus Fehlern kann ich lernen, mal schauen, wo ich da was korrigieren kann“.

 

Zum zweiten können Sie Ihren Tonfall verändern – denn der Ton macht die Musik. Sogar wenn Sie in diesem verurteilenden Text bleiben – wenn Sie den singen, oder rappen, ganz langsam oder ganz schnell und piepsig hoch sprechen – bereits das verändert das Gefühl, das Sie entwickeln. Es wird nämlich alles viel weniger wichtig, es hört sich dann eher komisch an, sodass Sie innerlich eine gesunde Distanz wahren können

 

 

Probieren Sie es aus.  Nehmen Sie sich Zeit dafür.  Es ist ungewohnt, aber machbar. Denn es geht um Sie. Um Aufmerk-samkeit und Zuwendung – von der Sie anderen wahrscheinlich leicht und gerne geben – aber sich selbst eher nicht. Ändern Sie das. Sie sind nun mal der wichtigste Mensch in Ihrem Leben!

 

Désirée B.Bethge M.A.

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