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  • AutorenbildDésirée Bethge

NARZISSMUS, ROTE AUTOS UND DIE GENERATION ME

Das kennen Sie sicher: Sie überlegen, ob Sie sich wirklich ein rotes Auto kaufen sollen – ist das nicht sehr grell? Oder doch auch sexy? Und plötzlich sehe Sie auf der Straße ganz viele rote Autos! Komisch oder?


Das hat mit Ihrem Fokus auf rote Autos zu tun. Früher waren Ihnen Autos bzw. die Farbe von Autos völlig egal – jetzt beschäftigen Sie sich damit, wägen ab, sortieren – und alle roten Autos triggern Ihre Aufmerksamkeit.


So ähnlich geht es mir mit dem Thema Narzissmus. Seitdem ich mich damit beschäftige, sehe ich all überall – Narzissten! Ich höre von Narzissten in der Praxis – nicht, dass Narzissten in die Praxis kämen – aber die Opfer bzw. Partner und ehemaligen Partner von Narzissten, die kommen! Ich lese von Narzissten, Bekannte berichten von Begegnungen mit Narzissten, ich nehme Narzissmus wahr bei Politikern und denke: sind wir ein Volk von Narzissten?


Nein, das ist grobe Übertreibung, das sind wir wirklich nicht. Allerdings hat die Selbstdarstellung, die ständige Beschäftigung mit sich selbst, das nur gelegentlich unterbrochene Posten von Fotos – „ich im Meer, ich mit meinem Freund/Freundin, ich wie ich Wein/Cola was auch immer trinke, Ich auf dem Fest mit X, ich beim Fußball“ - diese ständige Selbstbespiegelung hat durch die sozialen Medien zugenommen.


Fast ist es, als gäbe es einen nicht, wenn man sich da nicht inszeniert. Und als würden Ereignisse nur stattfinden, wenn sie auch digital nachvollziehbar und von aller Welt geteilt werden können. Die Generation „ME“ nennen es einige Wissenschaftler – ist das Narzissmus? Ist es nicht. Es hat narzisstische Züge – nämlich das Bedürfnis, bewundert und anerkannt zu werden. Das haben aber sehr viele Menschen, und das gehört sozusagen zur psychischen Ausstattung von uns allen. Dass es viel stärker zum Ausdruck kommt, das stimmt allerdings – es gibt durch die sozialen Medien halt eine Bühne für alle die Möchte-Gern-Influencer. Ist halt so.


Aber für einen richtigen Narzissten reicht das nicht. Da müssen noch ganz andere Merkmale erfüllt sein – siehe unten im P.S.



Als ich zufällig im Gespräch erwähne, dass ich mich gerade mit dem Phänomen Narzissmus beschäftige, kommen kurz hintereinander zwei Frauen auf mich zu – gar nicht in der Therapie, sondern im Alltag – und beide sagen: „Da kann ich Dir was erzählen – ich war mit einem Narzissten verheiratet – Gott sei Dank nicht mehr!“


Und in der Praxis, beim Thema therapeutische Begleitung einer Trennung, bekomme ich immer häufiger diese Aussage - mein Mann ist eben Narzisst. Er manipuliert, verdreht die Fakten, belügt schamlos das Gericht, versucht die gemeinsamen Kinder mit Geschenken zu kaufen und und und….


Es sind immer die gleichen Beschreibungen:

Wie charmant und hinreißend diese Männer sind, wie sie am Anfang die jeweilige Frau geradezu verzaubern, wie sie jeden mit ihrer Ausstrahlung für sich einnehmen. Zu Anfang jedenfalls, das sagen alle, die mal mit einem Narzissten zusammen waren. Allerdings ist der Anfang manchmal sehr schnell vorbei und dann kommt das böse Erwachen. .


Dann gibt es, wie in jeder Beziehung, auch Konflikte – und dann wird klar: für Narzissten gibt’s nur eine Wahrheit – nämlich ihre. Und nur eine Person, um die sich alles zu drehen hat – sie selbst. Sie manipulieren – und zwar ohne jeden moralischen Skrupel, weil sie finden, andere haben ihnen zu Diensten zu sein. Empathie? Davon haben sie noch nie gehört – es gehört jedenfalls nicht zu ihrer Ausstattung. Andere haben eine andere Meinung? Die haben keine Ahnung. Das Grundgefühl des Narzissten ist die eigene Großartigkeit, ihre Grandiosität. . Wenn sie scheitern, weil die Welt sich eben doch nicht um sie dreht, dann inszenieren sie sich als Opfer.


Sie kommen in ihren Berufen auf der Karriereleiter schnell hoch, sie haben Visionen und können Menschen begeistern. Insofern sind sie in bestimmten krisenhaften Situationen hilfreich, denn sie können in verfahrenen Situationen das Ruder rumreißen. Aber wenn alles wieder auf Spur ist, dann sollte man sie schnell loswerden. Denn durch ihren Glauben an die eigene Einmaligkeit laufen die Dinge dann aus dem Ruder und in eine Richtung, in der es nur noch ums Ego des Narzissten geht und beispielsweise das Unternehmen nur mehr als Bühne für den eigenen Größenwahn fungiert.


Beispiele aus der Politik gibt’s zuhauf: Putin, Erdogan, Silvio Berlusconi, Donald Trump – das sind sozusagen Narzissmus-Prototypen. Die Realität ist völlig ohne Belang, wenn sie den Narzissten konterkariert.

Für den Narzissten zählt nur ihre Ansicht der Dinge und ihre Geschichtsschreibung – völlig gleichgültig, wie aussagekräftig Zahlen und Fakten sind. Das sind dann eben „fake news“. Und da sind wir bei einem hervorragenden Exemplar der Gattung Narzisst, nämlich Trump.



Einer, der meint, das Amt diene ihm und nicht umgekehrt, der gerne Amt und Person verwechselt – Präsident von eigenen Gnaden, weil ihm das zusteht - und der negative Fakten nicht einmal wahrnehmen kann, wenn sie ihm vor die Nase gehalten werden. Bei seiner Amtseinführung seien die meisten begeisterten Menschen gewesen – viel mehr als bei Obama. Die Realität war anders, wie sich in den TV-Aufnahmen gezeigt hat. Die Reaktion: die Medien lügen.


Für diese Haltung gibt es viele Beispiele. Wenn die Realität einfach nicht so ist, wie sie für Trump eigentlich zu sein hätte, weil er doch Trump ist, dann hat man ihn hintergangen, war kriminell – die gestohlenen Wahlen sind da die Krönung dieser Haltung.


Zurück in den Alltag: wenn Sie das Gefühl haben, auf einen Narzissten zu treffen, fragen Sie ihn einfach, ob er einer ist? Ob er sich einfach grandios findet? Die anderen sind ihm weit unterlegen? Die meisten Narzissten haben gar keine Probleme damit, das zuzugeben.


Aber mal im Ernst: wenn Sie auf jemanden treffen, den Sie dafür halten – gehen Sie auf Abstand. Lassen Sie sich nicht manipulieren. Checken Sie ab, wofür Sie sich einsetzen sollen, denn der Narzisst braucht Fußvolk.

Er will keine Freunde, er will Fans. Er benutzt Sie für seine Ziele, Ihre sind ihm egal.


Testen Sie, ob derjenige in der Lage ist, Kritik oder Konflikte auszuhalten. Ob er zurückstehen kann, anderen auch einmal den ersten Platz zugestehen. Ob er in der Lage ist, Empathie zu empfinden und von Mitgefühl geleitet zu werden. Ob er andere bewundern kann.


Wenn er das alles kann, dann ist er keiner. Ach ja, dass hinter dem Narzissten oft ein schwaches Selbstwertgefühl steckt, das sollte Sie nicht daran hindern, Abstand zu halten. Versuchen Sie nicht, ihn zu heilen. Sie werden geschädigt. Denn wenn Sie sich dann enttäuscht abwenden, hat er schon fast alle in Ihrer beider Umfeld für sich gewonnen. Denn er ist ein großartiger Manipulator.


Lassen Sie sich nicht mit ihm ein – sonst werden garantiert Sie – nicht der Narzisst – in die Therapie kommen. Denn kein Narzisst lässt sich helfen – das lässt sein Gefühl der eigenen Grandiosität nicht zu.


Deshalb – bleiben Sie bei sich – lassen Sie sich nicht umgarnen, einwickeln, manipulieren. Meiden Sie den näheren Umgang, wenn’s irgendwie geht. Bleiben Sie bei sich – und bleiben Sie auch psychisch gesund.

Désirée B. Bethge MA



PS: Narzissmus ist eine Persönlichkeitsstörung - diese Störungen umfassen „tiefverwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, das sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche Lebenslagen zeigen“ So definiert in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen, kurz ICD10.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Eine Persönlichkeitsstörung mit mindestens 5 der folgenden 9 Merkmale

- Größengefühl (Grandiosität)

- Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Schönheit oder ideale

Liebe

- Gefühl der Einmaligkeit

- Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung

- Unbegründete Anspruchshaltung

- Ausnutzung von zwischenmenschlichen Beziehungen

- Mangel an Empathie

- Neidgefühle oder Überzeugung, beneidet zu werden

- arrogantes, hochmütiges Verhalten


PPS: Es gibt auch weibliche Narzissten - ich kenne nicht so viele, und bleibe deshalb bei der männlichen Variante


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